Hans Ulrich Imesch
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Mentor
Nachdem die Wüste das Mandala in Erinnerung gerufen hatte, besuchte ich ein paar öffentliche Veranstaltungen am C. G. Jung-Institut. Es ging um tiefenpsychologische Interpretationen von Bildern, Literatur, Träumen, Fantasien, Visionen und ich dachte, die wissen ja mehr über Architektur und Gestaltung, als ich je gehört habe, und die sprechen ja genau über den Aspekt der Dinge, der mich interessiert, sie sprechen über Seele und wie sich diese in den Dingen manifestiert. Die Konsequenz war die Einsicht, dass wenn ich Architektur oder Urban Design in einem ganzheitlichen Sinn gestalten will, ich mindestens ein bisschen von der Seele, vom Seelischen wissen sollte. 

Im Bewerbungsgespräch um einen Studienplatz mit Helmut Barz (Dr. med., Facharzt für Psychiatrie, Psychoanalytiker, Dozent, Präsident des Kuratoriums und Leiter des Institutes), schien dieser zu ahnen, wonach ich suchte, und er vermutete auch, dass bei mir das notwendige Potenzial vorhanden sei, um es zu finden. Auf jeden Fall fragte er: „Wie wollen Sie das angehen?“ Ich sagte: „Ich beginne mit meiner Analyse, ich muss mich kennenlernen, das ist die Basis.“

Lehranalyse
So wie das Unbewusste unendlich ist, ist dessen Explorieren ein Fass ohne Boden. Deshalb gibt es den Menschen, der sich seiner selbst vollumfänglich bewusst ist, nicht. Trotzdem erachte ich es als die zeitgemässe Kulturleistung eines jeden Menschen, sich darum zu bemühen, so weit wie möglich in sein seelisch-geistiges Unbewusste vorzudringen.

Dies zu tun ist grundsätzlich allein nicht möglich, Sie brauchen einen Spiegel, also das klassische Setting mit einer Fachperson. Diese ist nicht nur einfach Spiegel, sondern auch Führer und Helfer, sollten Sie einmal auf einer vereisten Stelle ausrutschen.

Eine Lehranalyse unterscheidet sich von einer Analyse dadurch, dass bei ersterer das Geschehen stets auch vor dem Hintergrund der Terminologie der Jung’schen Psychologie reflektiert wird. Die Frage, wann eine Analyse beendet ist, kann man beantworten mit „wenn das Potenzial erschöpft ist“. Dieses Potenzial ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt aber noch eine andere Antwort. Nach rund 400 Stunden Analyse bei meinem geduldigen, weisen, sattelfesten, wohlwollenden Lehranalytiker Arthur Leutwyler zeigte sich mir (in einem Traum) mein eigener innerer Führer. Er sagte einfach: „Komm, ich zeige dir etwas, das dich interessiert“, machte sich auf den Weg und ich folgte ihm.

Lehrgang
Der Ausbildungsmodus am Institut entsprach ganz meiner Art. Du gestaltest diesen selbst. Es gibt ein paar Marksteine, an denen du vorbeikommen musst. Lehranalyse, Semesterarbeiten, Prüfungen, Kontrollfallarbeit, Thesis. Wie du das bewerkstelligst, ist dir überlassen. Ebenso, wie lange du dafür Zeit brauchst. Aber es ist so, dass neben der rein fachlichen Beurteilung immer auch die Eignung zum Analytiker Jung’scher Richtung getestet wird. Sogenannte „Fachidioten“ haben da also (glücklicherweise) keine Chance.

Dann gab es auch eine sogenannte Auswahlkommission. Sie bestand aus drei Lehranalytikern, bei denen du einzeln regelmässig antraben musstest und die dich dabei auf Herz und Nieren prüften, ob man dich überhaupt auf Menschen loslassen darf. Du konntest alle Semesterarbeiten, Prüfungen etc. bestanden haben – wenn von der Auswahlkommission ein „Niet“ kam, war mit dem Diplom nichts.

Nun war ich also in der Lehranalyse, machte mit dem Ziel der Selbsterfahrung an den Veranstaltungen mit, die mir Spass machten, wie Psychodrama, Musik-, Mal- und Körpertherapie, und besuchte Vorlesungen, die mich besonders interessierten, wie Bildinterpretation, Traumdeutung, Psychologie archaischer Kulturen und auch Psychopathologie. Daneben werkelte ich an der Herstellung der Ausstellung „Timimoun, Siedlungen der Sahara“.

Arabien
Die Ausstellung „Timimoun, Siedlungen der Sahara“ stiess beim Publikum und bei der Presse und auch bei Museen und Hochschulen im In- und Ausland auf grosses Interesse. Obschon nicht als Wanderausstellung gedacht, waren die Ausstellungsorte nach Zürich auch Luzern, Lausanne, Biel, Darmstadt, Köln, Berlin, Paris, Grenoble, Oran, Constatin, Adrar und Algier.

In der Folge bekam ich von einem „Head-Hunter“ das Angebot für einen Einsatz als „Cultural-Heritage-Spezialist“, es gehe um Baghdad. Saddam Hussein wollte aus einem baufälligen historischen Stadtteil eine Vorzeigestadt nach westlicher Art machen und liess die Bulldozer auffahren. Als ich dort ankam, war die Hälfte des Gebietes bereits weggeräumt und die Hochhäuser im Bau.

Nun ging es noch um die andere Hälfte, oder um den Lebensraum von rund 20’000 Menschen. Dem deutsch-irakischen Planungsteam widerstrebte es, das Okay für das Abräumen zu geben. Dies soll der „Cultural-Heritage-Spezialist“ entscheiden. Ich fällte aber die fragliche Entscheidung nicht, sondern visualisierte mit piktogrammartigen Darstellungen die Qualität und kulturelle Bedeutung des historischen Stadtpatterns. Dies gefiel und das Amanat al Assima (Baudepartement) zeigte am Arabischen Städtetag in Algier die Piktogramme als Beispiel, wie es mit historischer Bausubstanz umgeht.

Träume
Seit Sigmund Freud ist allgemein bekannt, dass Träume die Via Regia zum Unbewussten sind. Warum ist das so? Das ist so, weil im Schlaf das Bewusstsein ausgeschaltet ist und die Tore zum Unbewussten weit offen stehen. Seit C. G. Jung wissen wir, dass das Unbewusste weit mehr ist als eine blosse Gerümpelkammer, in der wir Unliebsames, Ungewolltes, für unser Selbstbild nicht Annehmbares deponieren. Das Unbewusste weiss alles. Die Frage zum Beispiel, woher wir kommen und wohin wir gehen, ist dem Unbewussten klar. Und es verfolgt, was wir in unserem bewussten Leben tun, und gibt Rückmeldungen, die, wenn wir diese verstehen, unser Bewusstsein zu erweitern vermögen.

Das beliebteste Medium des Unbewussten für die Kommunikation mit unserem Bewusstsein sind also Träume. Es gibt auch noch andere, zum Beispiel Halluzinationen, Visionen, Fantasien, Wünsche, Zwänge, Ängste, Versuchungen, Töne, Stimmen, Verstimmtheiten, Schmerzen etc. Aber es ist in der Regel so, dass die Messages des Unbewussten nicht 1:1 zu verstehen sind, sondern der Interpretation bedürfen.

Beispiel: Eine Klientin bringt folgenden Traum in die Stunde: „Ich bin in meiner Wohnung und mache mich für einen Spaziergang parat. Ich verlasse das Haus, schlendere durch das Quartier, gehe weiter, komme an den Stadtrand, in eine parkartige Landschaft mit schönen Aussichten ... (Fortsetzung Bild Symbolik)

Symbolik
... obwohl ich schon lange hier wohne, sehe ich alles wie mit neuen Augen. Wie ich so weitergehe, sehe ich weiter vorn einen Fluss, der aus den Bergen zu meiner Rechten kommt und der quer zu meiner Gehrichtung fliesst. Ich mache mir Gedanken, wie ich da wohl hinüberfinde. Als ich an seinem Ufer stehe, sehe ich auf der anderen Seite in eine sagenhaft schöne Landschaft. Ich bleibe andächtig bewundernd stehen, doch nach einer Zeit beschliesse ich, umzukehren.“

Die Klientin brachte diesen Traum nach einer Analysezeit von rund drei Jahren. Ich sagte: „Wissen Sie Frau A., ich vermute, der Traum sagt, dass unsere Arbeit beendet ist.“ Wir vereinbarten einen nächsten Termin. Sie sagte: „Ich habe nun eine ganze Woche darüber nachgedacht und nachgefühlt, ich glaube, Sie haben recht.“ Das Unbewusste kannte die Grenze, bis zu der diese Frau gehen konnte. Und es wählte diese Bilder, um das mitzuteilen. Es hätte auch andere wählen können, denn Symbole sind stets mehrdeutig. Doch in Bezug auf eine bestimmte Situation haben sie einen eindeutigen Inhalt.

Wie das Unbewusste den Menschen begleitet, zeigt auch das Bild mit dem Fisch. Er erschien mir im Traum, um mir zu zeigen, wie weit ich mit meinen Explorationen gekommen bin. Er trägt in seinem Maul eines der Symbole dessen, was die „schwer erreichbaren Kostbarkeit“ genannt wird.

Propädeutikum
Die Prüfungsfächer: Grundlagen der analytischen Psychologie, Allgemeine Religionsgeschichte, Psychologie archaischer Kulturen, Psychologie der Mythen und Märchen, Psychologie des Traumes, Theorie und Praxis des Assoziationsexperimentes, Theorie des Komplexes, Propädeutische Kenntnisse in der Psychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Psychopathologie.

Klinisches Praktikum
Da das Unbewusste unendlich und in ihm alles ist, beinhaltet es auch das, was als pathologisch oder krankhaft bezeichnet wird. Doch wo ist da die Grenze? Am ersten Tag meines klinischen Praktikums kam ein junger, sympathischer, aufgeweckter Mann auf mich zu und fragt unverblümt: „Bist du einer von uns oder bist du der neue Pfleger?“ Ja, wenn ich ihn mir so betrachtete, war ich mir gar nicht mehr so sicher.

Das war an der Klinik am Zürichberg, die neben der psychiatrisch-medizinischen Betreuung das Schwergewicht auf psychoanalytische Gesprächstherapie legt. Und ich muss sagen, dass ich die „Patienten“ dort ausgesprochen sympathisch fand. Ich versuchte mich einzufühlen, und da war es doch ein Traum, der mich darauf hinwies, wo allenfalls eine Grenze sei.

Der Traum: Ich betrete einen dunklen Raum und in ihm steht Ruth (Name geändert, eine Patientin, die ich betreute). Sie steht still und schweigend da, doch irgendwie scheint sie mich zu fixieren. Ich schaue aufmerksam hin und da sehe ich, wie sich von ihrem Körper ein Netz löst, durch die Luft fliegt, auf mich zukommt und sich über mich ziehen will. Bevor dies geschehen kann, mache ich mich schleunigst aus dem Staub.

Kontrollfallarbeit
Nach den Propädeutischen Examen ist es, wenn man ein Diplom will, Pflicht, mit Menschen psychoanalytisch und psychotherapeutisch zu arbeiten. Das Institut unterhält eine Beratungsstelle, an die an ihrer Seele interessierte Menschen gelangen können. Sie (die Beratungsstelle) leitet diese Menschen an die sogenannten Diplomkandidaten (wie ich nun einer war) weiter.

Die Arbeit mit diesen Menschen geschieht im klassischen Setting, was bedeutet, dass ich und ein Mensch allein in einem Raum sitzen und „diskutieren“. Nun gibt es aber ein ausgeklügeltes Kontrollsystem über das, was in diesen Gesprächen geschieht. Sie finden supervidiert statt und die „Fälle“ werden in unzähligen Kolloquien besprochen. Und das ist der Sache durchaus angemessen.

Bevor man sich zu den Diplomprüfungen anmelden kann, sind rund 300 Stunden solcher Kontrollfallarbeit, wie es genannt wird, zu leisten und über jeden Fall ist ein Bericht zu erstellen. Meine Berichte wurden von der (sehr strengen) Lehranalytikerin und Psychotherapeutin Dr. Gertrud Hess (das Bild stammt aus ihren früheren Jahren, ich habe kein anderes gefunden) geprüft. (Ihr Urteil finden Sie unter Zitate.)

Diplomprüfungen
Die Prüfungsfächer: Psychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Differentialdiagnose, Psychologische Deutung von Träumen, Psychologische Deutung eines Mythos oder Märchens, Psychologische Deutung von Bildern aus dem Unbewussten, Individuationsprozess und seine Symbole, Anwendung der Kenntnisse auf einen individuellen Fall.

Wie ich mich erinnere, beschäftigten mich die Meinungen und Noten der Prüfer nur aus praktischen Gründen, ich wollte diese Prüfungen bestehen. Die Frage der Wahrheit stellte ich mir selber. Und zwar vor der Prüfung „Individuationsprozess ...“. Wie weit, so fragte ich mich, bist du nun individuiert? Hast du überhaupt etwas verstanden? Bist du dem Ganzen eigentlich gewachsen?

Ich sagte mir, wenn einer auf meine Frage eine Antwort weiss, ist er es. So begab ich mich auf den Friedhof. Stand vor seinem Grab. Und stellte die Frage. Lange geschah nichts, es herrschte einfach Totenstille. Aber nach einiger Zeit kam etwas in Bewegung. Es war ein Ächzen und Stöhnen zu hören, so als ob Erdmassen bewegt würden, und es ertönte in der Tat die Stimme von ihm: „Geh mal was essen, dann an die Prüfung, danach siehst du weiter.“ Ich entschuldigte mich für die Störung, ging in die „Krone“ (Schnipo), dann an die Prüfung und bekam eine 1 (Bestnote).

Thesis
Die schriftliche Schlussarbeit hat den Level einer Doktorarbeit und ist integraler Teil der Bedingungen für das Diplom. Das Institut bietet den Modus, den ich gewählt habe: alle Prüfungen zu absolvieren und danach die Thesis zu verfassen. Als Begleiter, Berater, Supervisor meiner Thesis konnte ich Helmut Barz gewinnen. Mein Thema war „Bausteine für ein neues Berufsbild“. Sie ahnen es, es ging um jenes des Architekten.

Nun, das war mein Plan, doch das Schicksal wollte etwas anderes. Zwar blieb Barz mein Begleiter, doch das Thema änderte sich schlagartig. Aufgrund privater Umstände fiel ich, wie man so sagt, in ein Loch – der Fachmann hätte eine schwere reaktive Depression diagnostiziert.

Ein Kollege, der im Tessin ein Haus besass und wusste, dass ich eine Thesis zu schreiben hatte, sagte, ich könne jederzeit hingehen. Also ging ich hin (mit meinem ersten Computer, Atari hiess er). Das Haus hiess Casa in Fondo. Ich begann zu schreiben, „Casa in Fondo, oder der Weg aus der Verfinsterung des Lichtes“. Nach einer Woche war die Thesis geschrieben, das Unbewusste hatte sie mir diktiert. (Würdigung der Arbeit siehe unter Zitate.)

Zukunft?
Nun hatte ich das Mandala, so weit es mir möglich war, ergründet (und das Diplom im Sack) und es stellte sich unweigerlich die Frage, wie weiter. Es war ja nicht meine Absicht, mich im psychoanalytischen Elfenbeinturm einzuschliessen, sondern ich wollte mein neu erarbeitetes Wissen in meinen Beruf als Architekt einfliessen lassen. Doch wie? Ich dachte an ein Mandat bei der UNESCO oder der Weltbank im Zusammenhang mit deren Projekten in Entwicklungsländern. Doch da träumte ich Folgendes:

Ich sitze am Schaltpult im obersten Kontrollraum in einem Kontrollturm (ähnlich dem Tower auf einem Flughafen). Es ist Nacht. Vor mir lauter laufende Bildschirme, die das beleuchtete Zürich zeigen. Dann ertönt eine blecherne Stimme: „Hier ist die Leitstelle von ...“.

Also es ist Zürich, eine leitende Stelle, aber was? Bei der VBZ wohl kaum. Dann erschien das Inserat „Bauamt der Stadt Zürich sucht Leiter der Amtsstelle für Reklameanlagen“. Glauben Sie mir, ich fluchte nicht schlecht.

Nichtbeamter
Tags darauf stand in der Zeitung, der Leiter der Baupolizei des Bauamtes der Stadt Zürich habe durchgedreht und vier seiner Kollegen erschossen. Nun begann also alles einen Sinn zu haben.

Wegen dieser Ereignisse wollte die gerade frisch gewählte Stadträtin und Vorsteherin des Bauamtes Dr. Ursula Koch jeden persönlich sehen, der sich für eine leitende Funktion bewarb. Es war augenscheinlich, Koch war von meinem Background angetan. Auf ihre Frage, was mich überhaupt dazu bewege, diese Stelle zu wollen, sagte ich: „Eine Karriere als Beamter interessiert mich überhaupt nicht. Die tausend Gesuche, die pro Jahr auf dieser Amtsstelle eintreffen, wären selbstverständlich zu erledigen. Aber mein eigentliches Ziel ist es, eine kundenfreundliche und beratungsorientierte Amtsstelle einzurichten und ein Leitbild Aussenwerbung für die Stadt Zürich zu schaffen.“ Dann fügte ich an: „Vermutlich benötige ich dazu fünf Jahre, danach gehe ich wieder.“ Frau Koch sagte: „Sie haben meine Unterstützung.“

Guru
Wie das so ist, wenn ein Neuer kommt, muss man ihm ein Etikett ankleben, damit man weiss, ob er scharf oder süss ist. Das Etikett, das ich erhielt, lautete „Guru“. Zuerst Reklame-Guru, später Design-Guru. Nun, meine Herkunft war ja schon etwas seltsam für einen Beamten, und mein Outfit, das immer mehr die Züge eines „Wanderpredigers“ annahm, tat den Rest. Dazu liess ich in der Amtsstube auch noch Räucherstäbchen brennen.

Wenn in unseren Breiten von Guru die Rede ist, geschieht das meist mit einem ironischen Unterton. „Was meint denn der, wir sollen nach seiner Pfeife tanzen? Der muss uns doch nicht vorschreiben, was wir zu tun haben!“ Ein Guru ist nach westlicher Vorstellung eine Art Sektenführer. Unantastbar und natürlich jeden bestrafend, der ihm nicht folgt. Leider gibt es genügend Beispiele, die diese Sichtweise rechtfertigen.

Guru ist aber etwas ganz anderes und hat vorerst mit einer Person rein gar nichts zu tun. Guru ist im Sanskrit die Bezeichnung für eine psychische Energie, die „Licht ins Dunkel“ bringt. Vielleicht waren Sie auch schon mal verstimmt oder sogar leicht deprimiert. Tranken ein oder zwei Cognacs und es wurde nicht besser. Doch dann bemerkten Sie die Blume vor sich auf dem Tisch und wie Sie sie ansahen, wurde Ihnen wohler. Die Blume ist nicht der Guru, aber sie hat Ihre psychische Energie stimuliert, die „Licht ins Dunkel“ bringt.

Umbruch
Nun waren die fünf Jahre um, die vorbildlich kundenorientierte Amtsstelle eingerichtet und das Leitbild Aussenwerbung wurde in den Medien als „das Plakatwunder von Zürich“ gepriesen. Es war also an der Zeit, vom Amt Abschied zu nehmen. Was ich danach tun würde, war mir klar.

Während der ganzen Zeit auf dem Amt lief meine tiefenpsychologische Praxis in Zürich weiter. Und von ihr aus unternahm ich mit kleinen Gruppen therapeutische Reisen in die Sahara. Ich konnte mir dabei einen Erfahrungsschatz aneignen, der mich dazu bewog, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich in der Sahara ein Erholungs-, Besinnungs- und Meditations-Zentrum aufbauen würde. Das Projekt war (1993) weit fortgeschritten, als über Algerien Wirren hereinbrachen, die sich so schnell nicht befrieden würden.

Gründung IGGZ
So sass ich da in der Mühle Tiefenbrunnen in meinem Mansardenraum. Die Praxis lief recht gut, aber als Architekt hatte ich keine Aufträge.

So fragte ich mich, was ich nun entwerfen, bauen wollte. Von meiner Amtszeit her erinnerte ich mich, dass die Plakatwerbefirmen in der Bahnhofstrasse Zürich gerne Aushangstellen hätten und dass die Telefonkabinen der Swisscom generell baufällig waren. Nun lag es auf der Hand, was ich entwerfen sollte: Mit der Telecab erhielten die Plakatwerbefirmen ihre Aushangstellen, die Swisscom benutzerfreundliche Kabinen und das IGGZ einen geglückten Start.

Danach wollten die Plakatwerbefirmen „das Plakatwunder von Zürich“ auf die ganze Schweiz übertragen. Sie beauftragten das IGGZ, dies zu bewerkstelligen.

Hanuman
Nun hatte das IGGZ plötzlich Angestellte, es benötigte mehr Raum und es arbeitete im 24-Stunden-Rhythmus. Im neuen Atelier (ein ehemaliger Lagerraum über den Turbinen der Spinnerei in Langnau am Albis) hängte ich dieses Bild über meinen Arbeitsplatz. Es stellt bildlich dar, wie ich mich als Leiter dieses Institutes sah. Von den vielen Figuren, die es enthält, sticht doch eine hervor, der Affe. Mit diesem identifizierte ich mich. Diesem wollte ich und will es immer noch gleichtun.

Hanuman, wie der Affe heisst, kniet hier ergeben vor dem hübschen Paar auf dem Thron. Sie sind natürlich König und Königin. Aber was sie symbolisieren, ist interessant. Rama (der König) repräsentiert die geläuterte Vernunft, Sita (die Königin) das geläuterte Gefühl. Dieser Unio Mystica von Verstand und Gefühl dient der Affe. Affe? Aus allgemein menschlicher Sicht kann das wohl nur ein Affe sein, der aus selbstlosem Dienen zur Glückseligkeit findet.

Dattatreya
Als ich erstmals nach Indien reiste und Swamiji begegnete (Dr. Dr. Dattapeethadipati Paramapooja Sri Ganapati Sachchidananda Swamiji, Siddha Nada Yogi) und auf ihn zuging, lächelte er und murmelte vor sich hin: „Ah, ein Jnana Yogi“ (einer, der den Weg des Wissens geht). Er meinte, ich könnte mich vielleicht ein wenig mit dem Vedanta beschäftigen (dem letzten Teil der Veden, der alles Vorangegangene relativiert und die Einheitswirklichkeit sieht).

Ich dachte über das Wort Vedanta nach, schlenderte durch den Ashram, lauschte der herrlichen Musik und dem energetisch geladenen Gesang der Frauen, aus dem immer wieder das Wort Datta zu hören war. Ich fragte mich, was das wohl auf sich hat, dieses „Datta, Datta, Datta, Datta yai“. Und da stiess ich auf einen kleinen Tempel, es war Dattas Tempel.

Datta ist keine Gottheit im üblichen Sinn. Datta ist ein Mensch, der vor rund 1000 Jahren gelebt hat und von dem gesagt wird, er sei der erste Mensch, in dem sich die geistigen Prinzipien von Shiva, Vishnu und Brahma inkarniert hätten. Eine seiner Schriften, die „Avadhuta Gita“, ist im Buchhandel erhältlich. Datta oder Dattatreya, wie er mit vollem Namen heisst, ist die Mensch gewordene Inkarnation des Vedanta.

IGGZ
Die Bezeichnung IGGZ für Institut für Ganzheitliche Gestaltung Zürich war, wie Köbi Gantenbein treffend feststellte, Programm. Rechtlich-formal gesehen war das IGGZ stets eine Einzelfirma auf meinen Namen. Das IGGZ hat sich seine Existenz stets selbst erarbeitet. Es war nie eine GmbH oder AG und nie hatte ein Aussenstehender auch nur einen Franken Anteil am IGGZ. Es gab keine Eingänge von Sponsoren und keine Subventionen von irgendwelchen Stellen.

Neben dem, dass das IGGZ im privatwirtschaftlichen Wettbewerb seine Existenz behaupten musste, war es auch eine Ausbildungsstätte. Wir umkreisten in monatlichen Plenarveranstaltungen die Frage, was ganzheitliche Gestaltung ist, welche Anforderungen diese an uns stellt, wie sie in unserer Arbeit zum Ausdruck kommt. Es gab einen Moment, in dem ich dachte, dass das IGGZ eigentlich Teil einer Hochschule sein sollte. Das Engagement der Mitarbeitenden war vorbildlich. Es entstand von selbst eine Art Wettbewerbssituation – alle waren bestrebt, den Level nach oben zu schieben. Eine Besonderheit war, dass die Fähigsten meine Entwürfe, die ich nicht mehr zeichnete, sondern bis ins letzte Detail in meinem Kopf entstehen liess, „sehen“ konnten. Zum Beispiel habe ich den kulturNAGEL nie aufgezeichnet. Ich habe einem Mitarbeiter von meiner Vision erzählt und er begann, sie aufzuzeichnen – die Zeichnung war perfekt.

Am Fluss der Zeit
Mit meinem Geburtsjahrgang 1940 habe ich, der ich ja nicht so gut im Rechnen bin, es doch leicht, im Hinblick auf das Millenium festzustellen, dass ich dann 60 würde. Ich gestehe, ich realisierte nicht, dass ich beziehungsweise mein „Rental Body“ älter wurde.